Wenn man in der Provinz aufwächst muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass man die räumliche Enge verinnerlicht. Im Gegenteil: Man kann, auch in sehr jungen Jahren, schon eine besondere Energie entwickeln, irgendwann der Provinz den Rücken zukehren zu wollen. Allerdings ohne Groll und mit der Einsicht versehen, dass auch die verlassene Provinz immer für eine gewisse Bodenhaftung sorgen kann. So geschehen bei Helga Berndmeyer, 57, eine der Mitarbeiterinnen von Aktion Kindertraum, die schon am längsten dabei sind.
Die Rede ist jedenfalls von Molbergen, gelegen in der Nähe des niedersächsischen Cloppenburg. „Man kann schon sagen, dass es mir zu eng wurde, und mir klar war, dass ich nach dem Abitur gern in eine größere Stadt gehen wollte.“ Gesagt, getan, Helga Berndmeyer entschied sich für ein Lehramt-Studium – Biologie – in der Landeshauptstadt Hannover. Aber relativ rasch realisierte sie, „dass Lehramt nicht das Wahre war“ und so stieg sie innerhalb der Biologie aufs Diplom um. „Dieses Fach mit seinen faszinierenden Prozessen fand ich jedenfalls schon während der Schulzeit sehr spannend.“
Vom Umweltschutz zur Sozialarbeit
Obwohl das Studium in Hannover nicht optimal organisiert war, „hab‘ ich es durchgezogen“, 1990 schrieb sie ihre Diplomarbeit im Bereich medizinische Mikrobiologie. Es ging dabei um einen damals noch eher unbekannten Keim, der in der Magenschleimhaut sein Unwesen treibt. Dazu stellte sie biochemische Untersuchungen an. Und typisch, wenn sich Helga Berndmeyer etwas vornimmt, dann kann man sich darauf verlassen: „Es wird erledigt“. Nicht zuletzt, weil sie sich später stets weitergebildet hat – so etwa 1992 mit einer einjährigen Fortbildung im Umweltbereich zur Fachkraft für Umweltschutz, um kurz danach eine befristete Stelle beim BUND anzutreten.
Als sei es gang und gäbe, hat sie 1993, 1995 und 1997 ihre Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, geboren. Und so nach und nach kristallisierte sich heraus, dass die so rationalen Naturwissenschaften sie nicht ihr ganzes Berufsleben begleiten sollten. „Ich hatte schon immer eine hohe Affinität zur sozialen Arbeit verspürt“, unterstreicht Helga Berndmeyer. Ehrenamtlich war sie bereits in der Schulbücherei engagiert und später mit den Kindern im Kinderladen. „Es ist mir auch immer schon wichtig gewesen, anderen Menschen zu helfen. Dies sollte doch ohnehin ein Kennzeichen sein in unserer zivilen Gesellschaft.“ So ist es kein Wunder, dass sie seit 2015 in der Flüchtlingshilfe sehr aktiv ist – sie nennt es „eine Herzensangelegenheit“.
Fortbildung gehört einfach dazu
Stefanie Schmeling-Vey, ebenfalls eine Aktion Kindertraum-Mitstreiterin der ersten Stunde, lernte sie Ende der neunziger Jahre kennen – „über die Kinder, wie das so ist“. 1999 übernahm sie deren Stelle bei Aktion Kindertraum als Schwangerschaftsvertretung. „Schon damals schälten sich meine Arbeitsbereiche heraus: „Koordinierung der ehrenamtlichen Arbeit, die konkrete Projektarbeit und die Organisation von kleinen und großen Veranstaltungen.“ Aber auch bei ihrer Arbeit für Aktion Kindertraum hat sie sich fortgebildet, etwa im Bereich Fundraising, der für Non Profit Organisationen immer wichtiger wird. Ute Friese, der Gründerin und Geschäftsführerin von Aktion Kindertraum imponierte, wie Helga Berndmeyer ihren Job anging und es verging nicht allzu viel Zeit bis sie in einer Festanstellung übernommen wurde.
Helga Berndmeyer erinnert sich im Gespräch: „Anfänglich gab es bei Aktion Kindertraum vielleicht so drei bis maximal fünf ehrenamtliche Mitarbeiter, heutzutage – mal von dieser Corona-Zeit abgesehen – reden wir bei größeren Events von 25 und mehr Ehrenamtlichen, die es zu koordinieren gilt.“ Über was für Events sprechen wir denn da so? „Nun, bei unserem Golf-Event braucht es schon recht viele Ehrenamtliche. Und bei dem früheren FUN-Kinderfestival, das wir gemeinsam mit Radio FFN in Hannover über Jahre veranstaltet haben, waren es so um die 300.“
Die Herzenswünsche werden immer komplexer
Da braucht es gute Nerven, klare Konzepte und trockenen Humor. Hat Helga Berndmeyer alles plus eben diese Bodenständigkeit, die ihr hilft, immer zu wissen, was sie für wen, warum und wie verbindlich zu erledigen hat. „Ob es nun die Ehrenamtskoordination oder die konkrete Projektarbeit bei Aktion Kindertraum ist, ich bin überall mit gleicher Kraft dabei. Wobei man bei der Projektarbeit immer ziemlich schnell sieht, was eine unserer unbürokratischen Herzenswunsch-Erfüllungen bei den Betroffenen an positiven Reaktionen auszulösen vermag.“ Weil sie eben schon so lang mit an Bord ist, hält Helga Berndmeyer auch immer wieder und sehr gern Vorträge über die Arbeit von Aktion Kindertraum. Insofern repräsentiert sie diese NPO auch immer wieder nach außen hin.
„Natürlich hat sich unsere Arbeit im Laufe der über zwei Jahrzehnte, in denen es Aktion Kindertraum gibt, stark verändert.“ Es sind viel mehr und komplexere Wünsche als früher zu erfüllen, das Team ist größer geworden, es ist wichtig bis in die kleinsten Arbeitsabläufe und Arbeitsbereiche „ein hohes Maß an Kontinuität zu entwickeln und aufrecht zu erhalten,“ weiß Helga Berndmeyer. „Und wir alle müssen sehr flexibel sein, um zum Beispiel auf Situationen wie die veränderten Arbeitsbedingungen der Corona-Pandemie reagieren zu können.“
Zoom kann persönlichen Kontakt nicht ersetzen
Das bedeutet gegenwärtig: Die eine Hälfte des Teams arbeitet im Wechsel mit der anderen, die im Büro die Stellung hält, im Home Office. „Das war für uns in der Vergangenheit schon kein Fremdwort,“ sagt Helga Berndmeyer, „aber zur Zeit ist das Home Office eher eine der Regeln, denn eine Ausnahme“. Aber glücklicher Weise „haben wir im Team von Aktion Kindertraum alle einen Superdraht zu- und untereinander, da werden wir eben künftig neue Herausforderungen für Kinder, ihre Geschwister und die ganze Familie wuppen“, ist sich Helga Berndmeyer sehr sicher. So hat Aktion Kindertraum etwa in den Sozialen Medien wie Instagram, Facebook oder neuerdings LinkedIn schöne, organische Zuwachsraten.
Diese Medien sind inzwischen unerlässlich geworden für eine Organisation wie Aktion Kindertraum, die eine Öffentlichkeit braucht, um Herzenswünsche erfüllen zu können. Jedenfalls hofft Helga Berndmeyer, dass in 2021 irgendwann die Zeit der Zoom-Meetings vorbei ist. „Denn der persönliche Kontakt ist auf Dauer durch nichts zu ersetzten“, stellt sie voller Überzeugung fest. Auf was freut sie sich in diesem gerade begonnen Jahr, in einer dann hoffentlich Nach-Corona-Zeit? „Auf unsere Kooperation mit ‚Aus der Stille in den Klang‘, da geht es um eine besondere, neue musikpädagogische Methode, um das Hören von gehörlosen Kindern, die mit einem Cochlea-Implantat versorgt sind, zu verbessern.“ Und was macht Helga Berndmeyer, wenn sie mal so richtig abschalten will? „Dann geht es in meine geliebten Berge, dort finde ich meine persönliche Seelenruhe, im Einklang mit der Natur.“ Helga Berndmeyer hört es, wenn der Berg ruft.