Von Hannover nach Afrika und zurück
Aktion Kindertraum hat einen neuen Mitarbeiter, Hauke Hayen. Geboren in Hannover führte ihn sein Weg zwischendurch lange nach Ruanda in Afrika, bevor er wieder zurückgekehrt ist in seine alte Heimat, die für seine Familie zugleich eine neue ist.
In gewisser Weise ist Hauke Hayen eine echte Premiere im Hauptquartier von Aktion Kindetraum in Hannover. Denn er ist der erste männliche hauptamtliche Mitarbeiter seit der Gründung vor über 25 Jahren. Ute Friese, Gründerin und Geschäftsführerin der NGO, sagt dazu lächelnd: „Ach, es hatte sich bis heute einfach nicht so ergeben, um so enthusiastischer begrüßen wir jetzt Hauke.“ Er wurde vor 44 Jahren in der niedersächsischen Landeshauptstadt in eine Familie hineingeboren, „die mein kulturelles Interesse sehr prägte“, erzählt Hauke Hayen – für den sich nun ein Kreis schließt. Aber dazu später.

Erst einmal wächst Hauke Hayen in einem behüteten Elternhaus auf „und ich weiß zu schätzen, wie wichtig dies für eine positive Kinder-Entwicklung ist“, betont er – und geht, damals durchaus noch ungewöhnlich, von der ersten bis zur dreizehnten Klasse auf ein und dieselbe Schule. Nämlich die Integrierte Gesamtschule Roderbruch, im Abitur, 1999, hatte Hauke die Fächer „Mathematik, Biologie, Deutsch und Politik“. Und weil im Hause Hayen die Gewaltfreiheit ebenfalls eine große Rolle spielte, „leistete ich natürlich Zivildienst.“ Dass er sich dabei eine gerontopsychiatrische Einrichtung ausgesucht hat, dürfte kein Zufall sein – Hauke Hayen hat etwas für Herausforderungen übrig. Für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen, „oftmals von einer Suchtvergangenheit begleitet“, da zu sein, erfordert nicht nur viel Geduld, sondern jede Menge Nächstenliebe.
„Menschen eine Freude machen“
Schon in frühester Kindheit war klar: „Ich wollte Jura studieren, um Anwalt zu werden.“ Das machte er dann nach dem Zivildienst auch, vorher noch ein Abstecher als einer der vielen Helfer der großen Expo 2000 in Hannover, die der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen und spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Hannover gelotst hatte. „Da zeigte sich unsere Stadt von ihrer besten Seite“, befindet Hauke Hayen heute im Nachhinein, „gastfreundlich, humorvoll und kosmopolitisch.“ Das landläufige Vorurteil, in Hannover gehe man zum Lachen in den Keller, wurde vital widerlegt.

Widerlegt wurde freilich desgleichen die Überzeugung von Hauke Hayen, die Rechtswissenschaften seien genau die richtige Berufswahl für ihn. „Mir wurde schnell klar, dass die täglichen Streitigkeiten, der permanente negative Eintrag im juristischen Wirkungsfeld nichts für mich wären. Ich wollte doch viel lieber positive und konstruktive Arbeit in meinem Leben leisten, Menschen eine Freude machen.“ So kam er zu einer Event-Agentur, wurde zunächst Assistent der Geschäftsleitung, um später selbst in leitender Funktion dort tätig zu sein. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag auf der Organisation und Durchführung von Medienveranstaltungen. Schon während dieser beruflichen Veränderung engagierte sich Hauke Hayen ehrenamtlich in der Charity-Organisation Benefiz e.V., „Medienschaffende gehen dorthin, wo es wehtut.“ – will sagen, Benefiz widmet sich Regionen in der Welt, die im öffentlichen Bewusstsein eher im Hintergrund oder gar nicht wahrgenommen werden. Diese ehrenamtliche Arbeit führte ihn schon seit den 2000er Jahren etwa nach Kenia, Tansania, Mali oder Ruanda. „Unsere oberste Prämisse war dabei stets ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘, denn nur so können wir unterentwickelten Regionen des politischen Südens konkret helfen positiv und selbständig voranzukommen in ihrem strukturellen Aufbau.“

„Das afrikanische Abenteuer beginnen“
Diese Arbeit war so erfüllend für Hauke Hayen, dass er sich 2013 entschloss, seinen alten Berufsbereich hinter sich zu lassen und sich in ein neues professionelles Feld zu wagen. Er ging als Medien-Produzent und Unternehmer nach Ruanda, jenes afrikanische Land, in dem er schon öfter gewesen war, es grenzt an Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Uganda und Tansania. Das sogenannte „Land der tausend Hügel“ gilt als eines jener Länder auf dem afrikanischen Kontinent mit einem außerordentlich starken Wirtschaftswachstum. Uns in Europa ist dieses Land in den neunziger Jahren bekannt geworden durch einen brutalen Genozid: Radikale Hutu ermordeten um die 800.000 Tutsi sowie gemäßigte Hutu.

Bemerkenswert ist, dass Frauen heute eine besonders wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des ostafrikanischen Landes spielen. Vieles in dem kleinen Binnenstaat ist heute modern und von außen betrachtet überraschend sauber, gut organisiert und fortschrittlich. Übrigens hatte das Deutsche Reich einst keine rühmliche Rolle in Ruanda inne, im 19. Jahrhundert wurde es der Kolonie Deutsch-Ostafrika einverleibt, um später im Ersten Weltkrieg unter belgische Herrschaft zu gelangen. Im Laufe seiner ehrenamtlichen Arbeit hatte sich Hauke Hayen mit der konkreten technischen und journalistischen Medienarbeit autodidaktisch vertraut gemacht, er ließ sich in der ruandischen Hauptstadt Kigali nieder. „Die Wohnung in Hannover gab‘ ich auf, der Hausstand wurde komplett aufgelöst und nur mit dem Nötigsten begann mein afrikanisches Abenteuer“, das nahezu ein Jahrzehnt währen sollte.
„Gewagter Schritt ins Unbekannte“
Mit einem Partner produzierte Hauke Hayen unter anderem viele Beiträge für CNN und andere ausländische Kunden auf dem afrikanischen Kontinent, auch für den in Deutschland bekannten „Weltspiegel“ der ARD war er tätig, ebenso für Formate von arte und 3Sat, die Vereinten Nationen oder das Deutsche Auswärtige Amt. „Viele Staatsoberhäupter, Politiker oder Wirtschaftsgrößen aus zahlreichen Ländern standen vor meiner Kamera,“ berichtet Hauke, nicht wehmütig, aber doch stolz, dass er es vermochte, eine gefragte Medien-Produktion mit Ruanda als Basis aufzubauen. Wie es seine persönliche Art ist, hat er dies mit ruhiger Art, gut durchdacht, unverstellter Analyse und dauernder journalistischer Neugier bewerkstelligt.

Das persönliche Glück ließ mithin nicht auf sich warten, der Medienmacher lernte seine Frau in Kigali kennen, gemeinsam haben sie zwei Kinder, eines adoptierte er – „da ich ein absoluter Familienmensch bin, war dies im persönlichen Bereich einfach nur erfüllend zu nennen“, sagt Hauke Hayen voll innerer Überzeugung. Und weil er ein solcher Familienmensch ist, verließ er nach fast zehn Jahren Ruanda wieder, seine Kinder kamen mit einem autoritär geführten Schulalltag nicht zurecht, wurden zunehmend unglücklich und es zeichnete sich ab, dass dieses Bildungssystem nicht ihre Zukunft darstellen soll. „Da war es keine Frage, dass wir als Familie nach Deutschland gehen würden, für mich war es eine Rückkehr, für meine Frau und die Kinder schon ein gewagter Schritt ins Unbekannte.“ Freilich hat sich diese Entscheidung als goldrichtige bewährt, zwei der Kinder sind nun – ebenso wie einst der Vater auf der IGS Roderbruch, das kann man dann wohl als Familientradition bezeichnen. Oder auch das Schließen eines Kreises. „Nachdem nun die eine oder andere bürokratische Hürde mit Geduld genommen wurde, sind wir jetzt richtig in Deutschland angekommen“, kann Hauke Hayen beruhigt festhalten.

„Das Sinnstiftende gesucht“
Nach einer kurzen Stippvisite im Vertrieb einer Technikfirma, „die für den Familienrückzug erstmal einen sicheren Halt bot“, wollte es ein glücklicher Zufall, dass er von einer aktuellen Stellenausschreibung bei Aktion Kindertraum erfuhr und sich umgehend beworben hat. „Sinnstiftend“ ist ein Begriff, der für Hauke Hayen sehr bedeutsam ist und die Arbeit bei Aktion Kindertraum für kranke oder gar schwer kranke Kinder, ihre Geschwisterkinder und Familien „ist genau das Sinnstiftende, das ich für mich und unsere Gesellschaft gesucht und gefunden habe“, sagt er mit fröhlicher Stimme. Er komme jetzt jeden Morgen voller Tatendrang in die Geschäftsstelle von Aktion Kindertraum und gehe abends stets erfüllt wieder nach Hause. „Zumal mich das gesamte Team toll aufgenommen hat.“

In seiner neuen Funktion als Wunschkoordinator geht dieser ernsthafte Mensch zu hundert Prozent auf. Wenn er sieht welche nachhaltige Wirkung erfüllte Wünsche haben – sei, es etwa ein Computer, ein Assistenzhund oder ein Kinderbett in Form eines Autos – dann weiß Hauke Hayen: „Hier bin ich sowas von richtig!“ Mit der Familie genießt er an den Wochenenden zu gern die reichhaltigen kulturellen Angebote, die die niedersächsische Landeshauptstadt jungen Familien zu bieten hat oder ist beispielsweise im Deister oder Harz unterwegs. Sozusagen den Spuren seiner alten Heimat folgend. Oder besser: „Unserer neuen Heimat“, Ruanda liegt hinter den Hayens und vor ihnen viel deutsches Zuhause.