Manchmal ertappe ich mich selbst in der Mama-Rolle. Aber wahrscheinlich gehört das zu meinem Job einfach dazu. Ende September zum Beispiel: Ich war auf dem Weg von Hannover ins beschauliche Waltrop in Nordrhein Westfalen. „Was ist aus den Kindern eigentlich geworden – Juristen, Ärzte oder gar wahre Champions?“, fragte ich mich auf der gut zweistündigen Autofahrt – wie man es sonst eben bei Müttern von Heranwachsenden kennt. Fast 3000 mal seit Bestehen konnten wir bei Aktion Kindertraum Kindern einen Wunsch erfüllen. Und in einer ruhigen Minute stellt man sich natürlich schon die Fragen: Wie sah deren weiterer Weg aus? Wie meistern sie ihr Leben? Sind aus ihnen trotz oder vielleicht sogar wegen der widrigen Umstände starke Persönlichkeiten geworden?

IMG 2397 300x225 - Zwei Champions: Nick und Lucas
Bei der Übergabe des Sport-Rollstuhls bei Hannover 96 ließ Lucas es sich nicht nehmen, über sein Tennistraining zu erzählen.

An zwei hab ich auf der Fahrt besonders gedacht: an Nick Nobbe und Lucas Kurth. Ich möchte gern erzählen warum: Schon vor mehreren Jahren hatte ich das erste Mal Kontakt mit den beiden. Es ging um zwei Herzenswünsche, die wir erfüllen konnten:  Nick haben wir Trainerstunden im Rollstuhltennis ermöglicht, und Lucas bekam einen Sportrollstuhl geschenkt – Sponsor war seinerzeit Hannover 96. Die Übergabe fand vor einer Bundesliga-Partie hier im Niedersachsenstadion, jetzt ja HDI Arena, statt. Die Roten spielten damals gegen den FC Ingolstadt. Wie man so schön sagt: Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Hier passt es wirklich: Lucas, ein begeisterter Fußball-Fan war damals 18 Jahre jung. Vier Jahre zuvor hatte er seine zweite Leidenschaft entdeckt: Rollstuhl-Tennis. Einmal pro Woche trainierte Lucas mit einigen Mitstreitern eine Stunde lang mit Coach Christoph Kellermann. Dies war mit seinem Alltagsrollstuhl eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Was lag da näher, als sich einen Sportrollstuhl zu wünschen, in dem Lucas künftig flinker ans Netz und wieder zurück an die Grundlinie eilen kann. Für Lucas war es damals mit dem neuen Sport-Rolli: „wie ein Wechsel von einem VW auf einen Porsche“.

Nick und Lucas – stark im Tennis, stark im Leben

In Waltrop sollte es ein Wiedersehen geben. Am 26. September 2020 richtete die »KRAMER-BREAKCHANCE«-Rollstuhl-Tennis-Initiative hier ihren nunmehr 13. Aktionstag aus. Geladen hatte der langjährige Rollstuhl-Tennis-Bundestrainer Christoph Kellermann, der hier den Krefelder Christoph Müller, ebenfalls früher Bundestrainer für Rollstuhl-Tennis, ehrte. Die Initiative ist eine tolle Sache – sie hilft Menschen mit Einschränkungen, sich über den Sport besser in die Gesellschaft zu integrieren. Und so hatten an jenem Samstag vor allem die Rollstuhlfahrer selbst die Hauptrolle. Zahlreiche lokale Hobbysportler, ehemalige ITF-Top-30-Weltklasseathleten sowie die komplette aktuelle Quad-Nationalmannschaft der Herren durften sich einmal mehr mit Davis-Cup-Sieger Marc-Kevin Goellner und dessen Ehefrau Syna (ehemals WTA 152) heiße Ballwechsel liefern.

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Nick Nobbe beim Aktionstag in Waltrop (@tennisredaktion)

Doch für mich standen Nick und Lucas im Mittelpunkt. Einfach toll, was aus den beiden geworden ist! Nick macht gerade sein zweites juristisches Staatsexamen in Münster und ist Botschafter von Kinetic Balance. Und auch sportlich ging’s ganz weit aufwärts. Er erkämpfte sich den deutschen Meistertitel im Rollstuhltennis und war 2017 Finalist der German Open. Neben dem sportlichen Wettkampf nahm Nick 2010 zusammen mit Jugendlichen aus der ganzen Welt an einem Fun- und Fitnesscamp in Seoul, Südkorea, teil. Organisiert wurde das Camp von der DBSJ (Deutsche Behinderten Sport Jugend) und dem paralympischen Jugendkomitee. „Eine ganz besondere Erfahrung!“ für Nick.

Lucas studiert Journalismus und PR an der Westfälischen Hochschule und ist politisch beim Bündnis 90/Die Grünen aktiv.

Mit Sport zu mehr Selbstvertrauen

Mich hat das ein großes Stück weit stolz gemacht, was beide bisher in ihrem Leben erreicht haben. Mit Aktion Kindertraum konnten wir einen kleinen Beitrag dazu beisteuern. Aber ich glaube eben auch, dass es häufig die scheinbar kleinen Dinge und Zufälle sind, die einem Leben manchmal eine entscheidende Wendung geben können. Und hier können wir ganz praxisnah im Alltag helfen. Sport hat beiden sicher ein großes Stück weit Selbstbestätigung und Selbstvertrauen gegeben und sie in ihrer Persönlichkeit damit reifen lassen. Allen Spendern, die dazu beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken. Und ja, ich glaube, wir werden hier im Blog jetzt öfter mal schauen, wie all die Kinder, denen wir ihren Herzenswunsch erfüllt konnten, ihr Leben meistern.

Ihre Ute