Gibt es ein Patentrezept für den Erfolg? Lässt sich Herzlichkeit und Zugewandtheit in ein methodisches Konzept einbinden? Ist die persönliche Begeisterung für die Fortschritte der Kinder, die Elena Kondraschowa während ihres Musikunterrichts zeigt, in pädagogische Empfehlungen für andere Lehrerinnen und Lehrer zu übertragen? Das Auditorium, vor dem die studierte Musikpädagogin und Konzertgeigerin an diesem Samstagmittag ihre Arbeitsweise erläutert, ist jedenfalls sehr angetan von der Kondraschowa Methode. Worum es sich dabei handelt, darüber gibt ein kurzer Film zum Projekt „Aus der Stille in den Klang“ einen ersten Einblick. Der Applaus am Ende des Vortrags zeigt, der Funke ist übergesprungen. Elena Kondraschowa hat sehr nachvollziehbar geschildert, wie es ihr gelingt, hörgeschädigten Kindern beizubringen, Geige und Klavier zu spielen, obwohl die Schüler ein Cochlea Implantat (CI) tragen.

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Ute Friese und Elena Kondraschowa präsentieren das Projekt „Aus der Stille in den Klang“
Die Kondraschowa Methode überregional bekannt machen

Kondraschowa ist die musikpädagogische Leiterin des Projektes „Aus der Stille in den Klang“. Finanziert und koordiniert wird das Projekt seit Beginn von Aktion Kindertraum. Ute Friese, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation schildert in dem Vortrag den Erfolg von „Aus der Stille in den Klang“. Deshalb soll die Kondraschowa Methode über Hannover hinaus Anwendung finden. Dafür will Aktion Kindertraum weitere Pädagoginnen und Musiktherapeuten gewinnen. Die Veranstaltung ist dafür ideal. Denn der 25. Hannoverscher CIKongress ist ein interdisziplinäres Fachforum für Patienten, Ärztinnen, Logopäden, Lehrerinnen, Selbsthilfegruppen und Interessierte.

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CI-Kongress: Austausch unter Fachfrauen: Prof. Anke Lesinski-Schiedat (mitte) und Dr. Angelika Illg (rechts) begleiten „Aus der Stille in den Klang“ wissenschaftlich.
„Den Kindern fehlt ein Hörkompass“

Kondraschowas sehr persönlicher Zugang zu diesem Thema erklärt sich durch die Erfahrungen mit ihrer eigenen damals kleinen Schwester. Auch sie war hörgeschädigt und die große Schwester hat erkannt: „Diesen Kindern fehlt ein Hörkompass. Wie sollen sie etwas wahrnehmen, was sie nicht kennen?“ Gerade Musik zu hören, sei sehr komplex: „Denn es sind ja nicht nur unterschiedliche Töne, es sind Harmonien, Rhythmik und andere Zusammenhänge“. Bei ihrer Schwester hat die Musikpädagogin beobachtet, Geräusche und Töne zu machen, stand bei der Kleinen immer in Verbindung zu anderen Sinneswahrnehmungen.

In ihrem Unterricht erklärt Kondraschowa anhand von Geige und Klavier den Kindern, was Klang überhaupt bedeutet. Die Kinder können die Schwingungen der Instrumente hören und zugleich vibrotaktil (körperlich) fühlen. Visuelle und haptische Wahrnehmung (Greifen der Geige, Anschlagen der Tasten) werden miteinander verknüpft. „Es ist wichtig gerade bei diesen Kindern, dass sich die Wahrnehmung nicht auf den Klang beschränkt, sondern über das Fühlen von Schwingungen erfolgt“, schildert sie ihren methodischen Ansatz.

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Wie lernen hörgeschädigte Kinder mit Erfolg, ein Instrument zu spielen – Elena Kondraschowa erläutert ihre Methode.
„Ich kann etwas!“

Der Erfolg ihres Unterrichts lässt sich durchaus sehen, besser gesagt hören: In dem Pilotprojekt „Aus der Stille in den Klang“ haben die Kinder schon nach einem Jahr Kondraschowa-Unterricht erste Konzerte aufgeführt: In diesem Sommer zum Abschluss des Schuljahrs in der Schule. Im letzten Jahr sogar vor großem Publikum im kleinen NDR-Sendesaal zusammen mit Musikerinnen und Musikern der Radio-Philharmonie. Auch diesen krönenden Abschluss des Pilotprojektes hat Aktion Kindertraum organisiert. Und der NDR hatte das ganze Projekt ein Jahr lang für eine Fernseh-Dokumentation begleitet.

„Solche Erfolge stärken das Selbstbewusstsein der Kinder und ihrer Familien. Sie sind stolz auf ihre Leistung und sagen: Ich kann etwas!“ Und damit würden andere Fähigkeiten ebenfalls gefördert, die Sprachkompetenz, der Wortschatz, das Zuhören und die Konzentrationsfähigkeit. Das hört Kondraschowa häufiger von den Eltern.

Tontreppe statt Tonleiter

Doch wie befähigt man Kinder zu solchen Erfolgen? Vielleicht ist das eine Frage der Grundhaltung, oder wie die Pädagogin sagt: „Ich erwarte keine Wunder, aber ich bin für Wunder bereit.“ Dem Zufall überlässt sie die Fortschritte hingegen nicht, sondern wirkt daran kenntnisreich und phantasievoll mit. Wie macht man zum Beispiel den Unterschied von hohen und tiefen Tönen deutlich? Dafür gibt es doch Noten und Tonleitern, könnte man sagen. Kondraschowa nutzt lieber das Treppenhaus, genauer gesagt die Treppe. Dort können die Kinder Stufe für Stufe experimentieren und dabei unterschiedliche Tonhöhen auch räumlich unterscheiden lernen.

Dem Lieblingsklang auf der Spur

Dieses Eingehen auf die Kinder ist ein weiteres Charakteristikum der Kondraschowa Methode. Das zeigt sich auch an einem anderen Beispiel. Stark hörgeschädigten Kindern mag der „Hörkompass“ fehlen, aber die Kinder haben ein gutes Gespür für Wohlklang, hat Kondraschowa festgestellt. „Manche Töne, manche Instrumente, die für hörende Menschen gut klingen, nehmen Hörgeschädigte als unangenehm, ja sogar als schmerzhaft war“, so die Musikpädagogin.

Man fühlt nur mit dem Herzen gut

Deshalb spielt die Suche nach dem Lieblingsklang eines Kindes eine entscheidende Rolle in der musikpädagogischen Arbeit bei „Aus der Stille in den Klang“. „Der Ton muss sich gut anfühlen“, sagt Kondraschowa und schildert zum Abschluss ihres Fachvortrags eine kleine Begebenheit:

Tim* hatte die Wahl – Klavier oder Geige?
Der Junge: „Die Geige fühlt sich gut an.“
„Wo fühlst du sie denn?“
Und die Antwort von Tim: „Mit dem Herzen!“

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Selbst nach der Kondraschowa Methode unterrichten. Welche Möglichkeiten es gibt und wie Aktion Kindertraum die Verbreitung der Methode fördert, wurde nach dem Vortrag vertieft.
Nachtrag

Über die Pilotphase hinaus, unterstützt Aktion Kindertraum dieses erfolgreiche Projekt. Ute Friese erläutert bei dem Vortrag das Angebot, das Aktion Kindertraum Interessierten macht, die selbst einmal inklusiven Musikunterricht für hörgeschädigte Kinder (mit oder ohne CI) nach der Kondraschowa Methode durchführen wollen. Wer daran Interesse hat: Alle weiterführenden Infos erfährt man auf der Website www.aktion-kindertraum.de oder im Gespräch mit der Projektkoordinatorin von Aktion Kindertraum.

Helga Berndmeyer
Tel. 0511/47 394 396
h.berndmeyer@aktion-kindertraum.de

*Name des Jungen geändert