Karina weiß, wie es sich am Rande anfühlt

Sie hat sehr viel Interessen und ist über die ehrenamtliche Schiene zu Aktion Kindertraum gekommen. Und gewissermaßen mithin über einen Umweg. Denn Karina Weiß, 45, wurde in Gorzów Wielkopolski geboren – zu Deutsch: Landsberg an der Warthe. Diese schöne Stadt, zu Ihrer Orientierung, liegt gut 80 Kilometer nordöstlich von Frankfurt an der Oder und ist teilweise von großen Waldgebieten umrahmt.

„Bis zu meinem zwölften Lebensjahr habe ich in Landsberg an der Warthe gelebt, mit meiner Mama und meiner Oma.“ Dort ist Karina Weiß zur Schule gegangen, „zur Grundschule, die geht in Polen bis zur achten Klasse.“ Tja, und dann kam das Jahr 1987. „Meine Mutter hatte einen Onkel in Frankreich besucht, daraus ergab sich eine Einladung nach Hannover.“ Dort lernte ihre Mutter ihren späteren Ehemann kennen und blieb gleich bei ihm. Selbstverständlich holte sie ihre Tochter später nach.

Deutsch lernen

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Karina Weiß heute vor ihrer Schule in Polen

Heute kann Karina Weiß dies so nonchalant erzählen, „damals allerdings war das erste Jahr in Norddeutschland eine sehr schwere Zeit für mich.“ Warum? „Ich konnte kein Wort Deutsch, kam aber gleich in die sechste Klasse und musste sofort den normalen Unterricht mitmachen.“ Im ersten halben Jahr stand ihr noch ab und an eine Förderlehrerin zur Seite. „Aber im Großen und Ganzen blieb mir einfach keine Wahl – ich musste so schnell wie möglich Deutsch lernen und pauken.“ Und diese Erfahrung einer – Gott sei Dank vorübergehenden – Isolation, des Gefühls einer Ausgeschlossenheit hat sie nicht vergessen. „Das ist jetzt alles verarbeitet, aber ich kann mich eben sehr gut in kleine und große Menschen hineinversetzen, die sich, warum auch immer, an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen. Um diese Menschen müssen wir uns kümmern, das ist ja eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Ehrenamtliches Interesse

Natürlich hat sie anfänglich ihre Freundinnen in Polen „verdammt vermisst.“ Bis 1993 ist Karina Weiß dann in die Realschule gegangen, um anschließend eine Ausbildung zur Bürokauffrau zu absolvieren. „Ich wurde danach in eine feste Stelle übernommen, das hat mich natürlich sehr gefreut.“ Es folgte eine kurze Stippvisite bei einer Zeitarbeitsfirma, bevor sie dann zu D2 Mannesmann (heute: Vodafone) wechselte und als Sachbearbeiterin im Vertragswesen arbeitete.

Schon damals ist sie zu ehrenamtlichen Veranstaltungen gegangen, wie etwa 2012 zum Fest im Landesblindenzentrum in Hannover. Dort hat sie einen Twinky, das wohlbekannte Maskottchen von Aktion Kindertraum gewonnen und kam erstmals mit der Non Profit Organisation in Berührung. Zumal Karina Weiß Kursleiterin und zertifizierte Baby-Masseurin ist und schon mit Kleinstkindern sehr gut und sehr gern umgehen kann.

Family First

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Karina Weiß in Aktion bei der Jubiläumsreise von Aktion Kindertraum

Die Mutter zweier Kinder, neun und dreizehn Jahre jung, ist ein leidenschaftlicher Familienmensch. „Familie bedeutet mir so viel,“ betont Karina Weiß, „ob es sich nun um engste Familienkreise dreht oder etwas weitere. Family First, sozusagen.“ Eine Weile später dann der zweite Kontakt zu Aktion Kindertraum und nun wurde es Ernst. „Auf der Freiwilligen-Börse lernte ich Helga Berndmeyer, die schon lange Jahre bei Aktion Kindertraum war, kennen.“ Helga Berndmeyer fragte sie, ob sie nicht ehrenamtlich für Aktion Kindertraum aktiv werden wolle.

„Irgendwie war das der richtige Zeitpunkt,“ erinnert sich Karina Weiß, „ich wollte mich schon länger engagieren, wusste aber nie so richtig wo.“ Gesagt, getan, zunächst für einen Tag pro Woche stieg sie ein bei Aktion Kindertraum – „und es war das genau Richtige für mich“, freut sich sie sich noch heute. Am Anfang hat sie im Büro unterstützende Aufgaben erledigt, inzwischen ist sie Wunscherfüllungsprofi, bereitet Veranstaltungen mit vor „und räumt, wie alle bei uns im Team, mal in der Küche auf.“

Große Freude

Mittlerweile hat Karina Weiß eine Teilzeitstelle. „Die Arbeit bei Aktion Kindertraum erfüllt mich an jedem Tag“, sagt Karina Weiß, „ach, eigentlich ist es ja gar keine Arbeit, ich empfinde es einfach als große Freude konkret helfen zu können.“ Zumal jedes Projekt anders ist, von der Aufgabenstellung und vor allem von den Menschen, den Familien und ihren Kindern her.“Ob sie nun Möbel für ein Kinderzimmer kauft, ein spezielles Fahrrad, einen Computer oder zu einem Spielertreffen zu Werder Bremen geht mit einem Kind – so oder so, alles wird mit Akribie und viel Herzblut angegangen und vollendet. Aber natürlich gibt es ebenfalls Fälle, „die mir schon sehr, sehr nahe gegangen sind.“

Wie jener eines 15-jährigen Jungen, der einmal im Range Rover fahren wollte. „Trotz unserer schnellen Organisation konnten wir den Wunsch nicht mehr erfüllen. Der Junge kam ausgerechnet am geplanten Erfüllungstag ins Krankenhaus und verstarb einen Tag später. – Das gibt Stiche ins Herz.“

Am Meer

Zum Glück kann sie im Team ihre Gedanken und Gefühle teilen und „in Ute Friese haben wir eine tolle Chefin.“ Manches Mal lässt sich natürlich ein Wunsch nicht so ohne Weiteres erfüllen, wie kürzlich eine ersehnte Reise nach Rhodos für eine Mutter und ihren Sohn. „Da kam Corona dazwischen – aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben,“ bemerkt Karina Weiß, die viel von Empathie und Spiritualität hält.

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Zwei Funkenmariechen – Karina Weiß und ihre Tochter
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Glücklich am Meer

In ihrer Freizeit war Karina Weiß lange Jahre begeistertes Mitglied eines Karnevalsvereins in Hannover. Das ist ja nun im Norden Deutschlands doch eher ungewöhnlich. „Nun ja, ich tanze für mein Leben gern“ Als ehemaliges Funkenmariechen gab sie ihre Tanzbegeisterung an ihre Tochter weiter und heute tanzen Mama und Tochter gemeinsam. Aber was Karina Weiß noch sehr gut kann ist sich am Wasser, am Meer zu entspannen. „Dann schaue ich lange in die Weite, beobachte die Bewegungen des Wassers und erfreue mich am Glitzern auf dessen Oberfläche.“ Das gibt ihr ein beruhigendes Gefühl und dabei tankt sie auf – auch für Aktion Kindertraum.

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Andreas Wrede

Zunächst habe ich in Göttingen Soziologie, Politik und Neuere Chinesische Sprache studiert. Nach einem Volontariat beim Göttinger Tageblatt war ich u.a. Gründungs-Chefredakteur von Max, und Chefredakteur von Spiegel Spezial und GQ Germany. Weiterhin bin ich Programmdirektor des Pay-TV-Senders Premiere (heute: Sky) gewesen, arbeitete als Korrespondent für den Axel Springer Verlag in New York City und beriet zahlreiche Verlage. Heute bin ich Dozent für Journalismus am Masterstudiengang der Hamburg Media School und leite dessen InnoLab.

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