Der Junge mit dem roten Eimer

Was machen 11-jährige Jungen am liebsten nach der Schule und den Hausaufgaben?
Sie treffen sich mit ihren Freunden auf dem Bolzplatz oder einer Wiese und spielen bis zum Dunkelwerden Fußball. Auch der damals elfjährige Momodou aus dem afrikanischen Gambia wollte sehr gern hinter dem Ball herjagen und Tore schießen. Doch schon nach wenigen Metern rang er um Luft. So saß er immer am Rand auf seinem roten Plastikeimer und schaute seinen Freunden traurig zu.
Egal wo Momodou hinging – seinen roten Eimer trug er immer bei sich, denn der Junge geriet schon bei kleinsten Anstrengungen außer Atem. Dann setzte er sich auf seinen Eimer und konnte sich ausruhen.

Roter Eimer - Grafik

Das war Momodous Leben im August 2023, als wir zum ersten Mal von dem Jungen aus Afrika hörten. Erst wenige Wochen vorher wurde Momodou in der Klinik des Medical Research Centers in Gambia untersucht. Seitdem wusste er: Sein Herz ist krank, es braucht dringend eine neue Herzklappe.

Roter Eimer oder Herz-OP?

Eine befreundete Organisation machte uns auf Momodous Schicksal aufmerksam. Der Kindergarten Meschede in Gambia e.V. hatte sich sehr darum bemüht, dass der Junge so schnell wie möglich operiert werden konnte. Doch weder in Gambia noch im benachbarten Senegal waren die Voraussetzungen für solch eine Operation gegeben. Auch der Versuch, ein ausländisches Ärzteteam nach Gambia zu holen, scheiterte. So war Momodous große Hoffnung eine Operation in Deutschland.

Das Uniklinikum in Bonn erklärte sich bereit, Momodous Herz zu operieren und erstellte einen Kostenvoranschlag mit einer für Momodous Familie utopischen Summe. Sie würden alles für ihren Sohn tun, doch ihr Einkommen aus einer kleinen Landwirtschaft und Gelegenheitsarbeiten reicht gerade für ein einfaches Leben und die Schulkosten für Momodou und seine vier Geschwister.

Die Prognose der Ärzte lautete: Bekommt Momodou eine neue Herzklappe, hat er gute Chancen auf die gleiche Belastbarkeit und Lebenserwartung wie seine kleinen Fußballfreunde! Doch bevor Momodou wieder unbeschwert rennen und spielen kann, muss er operiert werden!

Afrikanische Kinder spielen Fiußball
So wie diese Jungs wollte Momodou wieder Fußball spielen (Foto: freepik)

Das war unser Ansporn. Wir hatten es schon vor Augen, wie Momodou sein erstes Tor schießt. Deshalb war schnell klar: Wir beteiligen uns an den Kosten der Herzoperation in Deutschland.
Unsere Unterstützer riefen wir mit einem Briefmailing dazu auf, Momodou zu unterstützen. Der Verein Kindergarten Meschede für Gambia starte auf Social Media einen Spendenaufruf, für den wir die buchhalterische Abwicklung durchführten.
Am Ende kamen so mehr als 20.000 Euro zusammen, was allerdings nur ein rund ein Drittel der Gesamtkosten deckte. Selbstverständlich fragte der Verein weitere große Hilfsorganiationen an, die auch große Teile der Finazierung übernahmen.

Pass, Visum, Unterkunft – Alles muss organisiert werden

Im Februar 2024 hatte Katrin Heim, die 2.Vorsitzende des Vereins in Meschede genügend Mittel zusammen, um mit der Organisation des Visums und der Unterbringung Momodous in Deutschland zu beginnen.
Im März war sie selbst in Gambia und traf auch Momodou und seinen Vater: „Ich bin am Dienstag aus Gambia zurückgekommen, wo ich auch Momodou und seinen Vater getroffen habe. Gemeinsam konnten wir seine Registrierung bei projcetAid vornehmen, die mit dem Friedensdorf International hier in Deutschland eng zusammenarbeiten. Jetzt muss den Reisepass beantragt werden, damit das Visum als nächstes ausgestellt werden kann. Gleichzeitig warten wir auf einen Termin für die Operation.“
Es ging voran, es musste aber auch an vieles gedacht werden.

Momodou und seine Familie
Momodou musste seine Familie in Gambia zurücklassen und reiste allein für die OP nach Deutschland

Mitte April bekam Momodou einen Reisepass, sodass auch ein Visum beantragt werden konnte. Das Kinderdorf International wollte die Betreuung und Begleitung von Momodou in Deutschland übernehmen. Einen OP-Termin gab es auch: Geplant war der 18. September.

Ankunft in Deutschland

Am 11.09.2024 landete der mittlerweile 13-jährige Momodou in Brüssel und war total erschöpft von der langen Reise. Im Friedensdorf in Oberhausen konnte er sich erst einmal ausruhen. Dann standen Arztbesuche und Voruntersuchungen an. Der OP-Termin war vorverlegt worden auf den 13.09.2024, allerdings wurde bei der Aufnahme in der Uniklinik festgestellt, dass Momodous Zähne so kariös waren, dass dies eine Behandlung vor der eigentlichen Herzoperation erforderte. Aber auch dieses Hindernis konnte überwunden werden, denn eine Zahnklinik erklärte sich bereit, den Jungen kostenlos zu behandeln.

Momodou zu Weihnachten in Deutschland
Momodou verbrachte das Weihnachtsfest nach seiner Herz-OP in Deutschland

So verschob sich der OP-Termin und erst Ende November bekamen wir die erleichternde Nachricht, dass Momodou erfolgreich operiert wurde. Die Operation hat über 8 Stunden gedauert und die Ärzte haben es geschafft, die Herzklappen zu rekonstruieren. Darüber sind wir noch immer sehr erleichtert, da Momodou so in Afrika keine Medikamente benötigen wird.

Mitte Dezember wurde der Junge aus der Uniklinik Bonn entlassen, nachdem Operation und Heilungsprozess sehr gut verlaufen waren.
Momodou wurde in den folgenden Wochen wieder im Friedensdorf International betreut.

Ein gesundes Herz für Momodou – roter Eimer ade!

Momodou und seine Freunde am Strand
Momodou kann jetzt mit seinen Freunden am Strand entlang in das eine Stunde entfernte Fischerdorf wandern

Seit Ende Januar lebt Momodou wieder zu Hause bei seiner Familie in Gambia. Es geht ihm sehr gut und er besucht auch schon wieder die Schule. Katrin Heim schreibt uns: „…Wir haben ihn an Strand mit seinen Freunden getroffen, sie sind ins Fischerdorf gelaufen, um für das Abendessen Brot zu kaufen. Dafür braucht man insgesamt ca. eine Stunde, eine Entfernung, die vor der Operation unvorstellbar gewesen wäre. Und er war dabei so glücklich, dass er mit seinen Freunden unterwegs sein konnte. An einem anderen Tag haben wir uns mit seinen Eltern und zweien seiner Geschwister getroffen und es war schön, alle wieder so fröhlich zusammen zu erleben.
In den nächsten Tagen wollen wir noch ein Fahrrad, das wir noch haben, für ihn herrichten lassen, damit er damit zur Schule fahren kann.“

Und wir sind sehr sicher, dass Momodou mittlerweile sein erstes Tor beim Fußball erzielt hat.
Der rote Eimer gehört jedenfalls der Vergangenheit an!

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Michaela Nocke

Seit ich lesen kann, schreibe ich auch gern. Ich erinnere mich, dass ich als Kind bei meinem Großvater an einer alten Schreibmaschine Geschichten schrieb. Eine Zeit lang war ich Redakteurin unter anderem bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und einem Stadtteilmagazin. Im Jahr 2003 gab es die erste Begegnung mit den Mitarbeiterinnen von Aktion Kindertraum. Nach dem Ehrenamt und einem Mini-Job engagiere ich mich nun in Vollzeit mit viel Freude für Aktion Kindertraum. Neben den Wunscherfüllungen und der Spenderbuchhaltung betreue ich die Social-Media-Kanäle von Aktion Kindertraum und habe so wieder viel mit Texten zu tun.

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