Erstens wollten wir wissen: Wie wichtig ist Transparenz bei Wohltätigkeitsorganisationen? Zweitens stellten wir erstaunt fest: Das Spendenvolumen in Deutschland steigt – trotz Corona! 

Weitere Fragen waren:

  • Gehen Spenden 1:1 in die Projekte?
  • Wie werden Wohltätigkeitsorganisationen überprüft?
  • Wie ist das erste Spendenjahr in der Corona-Pandemie gelaufen?
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Dr. Marita Haibach (per Video zugeschaltet), Jens Genge, Andreas Wrede, Ute Friese und Dr. Thomas Kreuzer (per Video zugeschaltet), Foto von links.

Eingeladen zu diesem spannenden Thema hatten wir gleich drei ExpertInnen aus ganz Deutschland: Dr. Marita Haibach, Mitinhaberin des Major Giving Institutes und Fundraising-Pionierin in Deutschland aus Wiesbaden, Dr. Thomas Kreuzer, Direktor und Geschäftsführer der Fundraising Akademie in Frankfurt am Main sowie Rechtsanwalt und Notar Jens Genge, Experte für Gemeinnützigkeitsrecht und steuerlicher Berater von Aktion Kindertraum aus Bad Pyrmont. Ebenfalls anwesend waren die Gastgeberin Ute Friese, Gründerin und Geschäftsführerin von Aktion Kindertraum sowie Moderator Andreas Wrede, Journalist und Dozent.

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Ab in die Maske: Ute Friese vor der Show.
„Wenn Sie von 100 Euro 20 bis 25 investieren, um dann 75 Euro Gewinn zu machen ist das in Ordnung – da würden Unternehmen ,Juhu‘ schreien!“

Die einstündige Talk-Show begann gleich mit der provokanten Frage von Moderator Andreas Wrede: „Dass alle Spenden zu hundert Prozent in die konkrete Arbeit bzw. Projekte einer Wohltätigkeitsorganisation gehen ist ein Mythos, oder?“

Dr. Haibach: „Ja, denn wenn eine Organisation gute Arbeit machen will, braucht man ein gutes Management. Und das kostet Geld. Natürlich muss das im richtigen Verhältnis stehen.“ Dass Geld für Marketing und professionelle MitarbeiterInnen ausgegeben wird, findet sie daher ganz normal: „Es gibt ein sehr gutes Argument für Fundraising: Wir sind Profitzentren und keine Kostenzentren! Wenn man von 100 Euro 20 oder 25 Euro ausgibt, um dann 75 Euro (Spenden) einzunehmen, dann ist das doch ein Gewinn, bei dem Unternehmen ,Juhu‘ schreien würden!“

Auch Ute Friese berichtete ganz offen: „Ich habe von Anfang an zu potenziellen SpenderInnen gesagt: ,Wenn Sie einen Euro spenden, geht er nicht eins zu eins ins Projekt, da gehen auch noch Kosten davon ab.‘ Wichtig ist mir immer gewesen, den SpenderInnen zu sagen, was mit ihrem Geld geschieht!“

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Vorab-Check – selbstverständlich coronakonform mit Maske
„Ab einer gewissen Größe der Organisation braucht es Professionalität!“

Rechtsanwalt Genge ergänzte: „Es wird einerseits verlangt, dass eine Organisation professionell arbeitet. Aber das geht nicht immer ehrenamtlich. Wir brauchen Ehrenamtliche, keine Frage, aber hat eine Organisation einen gewisse Größe errreicht, braucht man Professionalität. Und das kostet Geld. Wir können ja nicht von Frau Friese erwarten, dass sie mit Aktion Kindertraum ehrenamtlich einen Fulltime-Job leistet und sich dann noch zusätzlich eine Nachtarbeit sucht, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen!“ Nur, so bedauerte Dr. Kreuzer, sei es leider so, dass viele Menschen noch immer wenig Ahnung davon hätten, wie der Non-Profit-Sektor ticke.

Kontakt und Kommunikation mit SpenderInnen sind wichtig!

Daher, so Dr. Kreuzer weiter, sei der Kontakt und die Kommunikation mit den SpenderInnen ist ganz wesentlich! Dr. Kreuzer: „Es muss immer wieder darüber berichtet werden, was mit den Spenden passiert. Aktion Kindertraum macht das wirklich in einer vorzüglichen Weise. Im Gegensatz zu früher geht es heute darum, dass Organisationen etwas bewirken, dass in Projekten etwas erreicht wird.“ Rechtsanwalt Genge ergänzte: „Es geht hier um Spenden, das sind Schenkungen von interessierten Personen. Damit muss man umgehen. Wenn ich etwas verkaufe oder meine Dienstleistung in Rechnung stelle, bekommt der andere Vertragapartner eine Gegenleistung. Hier geben die SpenderInnen Aktion Kindertraum beispielsweise Geld, um damit satzungsgemäße Zwecke zu erfüllen. Das einzige, was wir ihnen als Gegenleistung bieten können, sind vielleicht die Bilder der glänzenden Kinderaugen. Deshalb ist es noch einmal um so wichtiger, mit den SpenderInnen zu kommunizieren!“

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Zu Gast im Peppermint Streaming Studio. Ein tolles professionelles Ambiente.
Macht ein Siegel für Wohltätigkeitsorganisationen Sinn?

Auf die Frage, ob ein Siegel für eine Wohltätigkeitsorganisation Sinn mache, antwortetet Ute Friese: „Für uns war es eine Ehrensache, Mitunterzeichnerin der Initiative Transparente Zivilgesellschaft zu sein. Damit gehen wir eine Selbstverpflichtung ein und zeigen, dass wir transparent sind. Jedes Jahr von Neuem müssen wir zehn Kriterien immer wieder erfüllen. Und: Wir veröffentlichen jedes Jahr unsere Daten in unserem Geschäftsbericht auf der Homepage. Ich glaube, das ist eine sehr vertrauensbildene Maßnahme!“ Dr. Haibach warf allerdings ein: „Es kann nicht nur ein Siegel für alle Organisationen geben, da diese in Art und Größe so unterschiedlich sind. Wichtig ist hier vor allen Dingen: Zuallererst müssen die mündigen SpenderInnen sich selber informieren! Ein Siegel kann nur eine Unterstützung sein!“

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Ute hatte die Maske immer griffbereit. Sämtliche Teilnehmenden waren getestet.
Der größte TÜV ist das Finanzamt

Jens Genge war sich sicher, dass der größte TÜV beim Check der Wohltätigkeitsorganisationen ohnehin das Finanzamt sei. Denn dies überprüfe die Gemeinnützigkeit in der Regel alle drei Jahre. Genge: „Dann muss jede/r Rechenschaft ablegen und transparent werden. Hier ist eine Bringschuld der Organisationen gefragt, die Projekte öffentlich zu machen. Es wird durchaus geprüft, ob beispielsweise die Kinder einen Spielplatz bekommen oder die BetreuerInnen einen Ausflug nach Mallorca gemacht haben!“

Spendenbereitschaft steigt trotz Corona: Volumen 2020 beträgt 5,4 Mrd. Euro

Dass Deutschlands gemeinnützige Wohltätigkeitsorganisationen (geschätzt: 600.000) sowie rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (laut Bundesverband Deutscher Stiftungen 23.876) etwas richtig machen, zeigen die stetig steigenden Spendenzahlen. Selbst 2020, mitten in der Corona-Pandemie, konnten sich die Organisationen auf ihre treuen SpenderInnen verlassen: Laut GfK (Growth from Knowledge) Charity Panel (im Auftrag des Deutschen Spendenrats erstellt) vom Februar 2021 betrug das ermittelte Spendenvolumen für das vergangene Jahr 5,4 Milliarden Euro, ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr und das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2015.

Weniger Menschen spenden mehr Geld: Durchschnittsspende bei 40 Euro

Interessant dabei: Immer weniger Menschen spenden mehr Geld. So nahm die Anzahl der Spendenden um 2,6 Prozent ab. Im Durchschnitt spendete jede/r 40 Euro, was einem Höchststand entspricht. Dabei nahm die Spendenbereitschaft mit dem ersten harten sowie dem zweiten Lockdown zu und entwickelte sich parallel zu den Infektionszahlen und Lockdown- Maßnahmen. Im März und August gab es hohe zweistellige Zuwachsraten. Die höchsten Spendenraten überwies die Generation 70 + mit durchschnittlich mehr als 400 Euro.

SpenderInnen stehen zu Organisationen – auch während der Corona-Pandemie

Auch Ute Friese bestätigte, dass 2020 viel besser gelaufen sei, als gedacht: „Gerade zu Beginn des ersten Lockdowns standen bei uns große Befürchtungen im Raum. Aber die SpenderInnen haben zu uns gestanden. Es wurde nicht nur viel telefoniert, sondern auch viel gelesen. Auf unserer Homepage, unsere Newsletter und Beiträge in den Social Media. Wir sind inzwischen sehr gut unterwegs. Und das ist wichtig: Denn bei uns geht es nicht nur um die Kommunikation mit den – potenziellen – SpenderInnen, sondern es ist für uns auch wichtig, diejenigen zu finden, die wir unterstützen wollen.“

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Da war sie wieder: Die Puderquaste …
Was tun, wenn die heute stärksten SpenderInnen-Gruppen versterben?

In Sachen SpenderInnen-Nachwuchs gibt es viel zu tun. Das unterstrich auch Ute Friese: „Unser SpenderInnen-Altersdurchschnitt liegt bei 70 Jahren. Das war übrigens auch schon so vor 20 Jahren! Was also heißt, dass diese SpenderInnen-Gruppe durchaus nachwächst. Um künftig auch Jüngere zu erreichen, sind wir insbesondere in den sozialen Netzwerken unterwegs. Unsere Schaufenster sind dabei unsere Homepage und unser Blog. Wir machen aber auch viel Öffentlichkeitsarbeit und einmal im Jahr eine große NeuspenderInnen-Gewinnung für neue SpenderInnnen-Bindung per Brief.“

Hohe Investionen bringen viel zurück

„Und das kostet richtig Geld. Aber es kommt dann auch viel wieder zurück. Und: Würden wir das nicht investieren, müsste ich spätestens in zehn Jahren den Schlüssel umdrehen und die Tür unseres Stammsitzes endgültig zu machen. Wir müssen eben wirklich permanent am Ball bleiben, was die SpenderInnen angeht sowie die Familien informieren. Damit diese wissen, dass wir ihnen helfen können. Denn es gibt immer noch viele Familien, die uns nicht kennen, aber unsere Hilfe gut gebrauchen könnten. Und dafür brauchen wir eben auch Marketing und Öffentlichkeitsarbeit!“

Die einstündige Talkshow finden Sie hier: