Eine neue Verordnung des Justizministeriums sowie der fachliche Dialog mit Dr. med. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V., sind Basis dieser Forderung von Aktion Kindertraum, einer Non-Profit-Organisation, die seit 22 Jahren Kinder und Jugendliche unterstützt, welche sich in lebensbedrohlichen Situationen beziehungsweise Notsituationen befinden – unabhängig von ihrer Nationalität, Religion und Hautfarbe.

Impfung nicht nur für zwei sondern sämtliche Pflegepersonen
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Ute Friese

Ute Friese, Gründerin und Geschäftsführerin von Aktion Kindertraum: „Wir möchten gerne, dass nicht nur zwei Personen, die mit schwerstbehinderten und kranken Kindern im selben Haushalt wohnen oder regelmäßig mit diesen arbeiten – sprich Pflegepersonal –, mit hoher Priorität Anspruch auf eine Schutzimpfung erhalten.
Wir fordern, dass sämtliche an der Pflege beteiligten Personen sowie die Geschwister(kinder) die Möglichkeit einer Covid-Impfung bekommen.“

An der Pflege von schwerstbehinderten und kranken Kindern beteiligte Personen gehören auf Impfliste mit höchster Prio

Ute Friese weiter: „Wir möchten außerdem, dass diese Personen (s.o.) nicht nur eine hohe Priorität auf eine Covid-Impfung erhalten.

Sondern wir fordern von den Politikern, dafür zu sorgen, dass eben diese Personen – was die Möglichkeit einer Impfung gegen Corona betrifft – die höchste Priorität erhalten. Und zwar gleichberechtigt zum Pflegepersonal in stationären und teilstationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen!“

Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung

Hintergrund dieser Forderungen:
Am 8. Februar 2021 verkündete das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in einer „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in Paragraph 3 unter „Schutzimpfungen mit hoher Priorität“ (nach Paragraph 2 mit „Schutzimpfungen mit höchster Priorität“) Folgendes:

Schutzimpfungen mit hoher Priorität
(1) Folgende Personen haben mit hoher Priorität Anspruch auf Schutzimpfung:
1. Personen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben,
2. folgende Personen, bei denen ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht …
3. bis zu zwei enge Kontaktpersonen
a) von einer nicht in einer Einrichtung befindlichen pflegebedürftigen Person nach den Nummern 1 und 2  … die von dieser Person oder von einer sie vertretenden Person bestimmt werden

Dr. Fischbach: „Warum nur zwei enge Kontaktpersonen geimpft werden dürfen, das muss Ihnen der Verordnungsgeber erklären.“
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Dr. med. Thomas Fischbach (© Frank Schoepgens FOTOGRAFIE, Köln)

Unter anderem steht Aktion Kindertraum stets mit diversen Experten im Dialog, darunter mit Dr. med. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Auch er kann an mancher Stelle keine wirkliche Klarheit in der neuen Verordnung erkennen. Im Dialog mit Aktion Kindertraum sagte er: „In der Impfverordnung wird ja beständig nur von ,Personen’ gesprochen, Kinder also nicht expressis verbis genannt. Unter ,pflegebedürftigen Personen’ werden sicher vornehmlich Erwachsene verstanden. Andererseits betreuen wir in den Praxen zahlreiche Patienten mit beispielsweise Trisomie 21 (Anmerkung: Down-Syndrom), die in der Verordnung der Kategorie 2 (Schutzimpfungen mit hoher Priorität) zugeordnet sind. Hier muss der Verordnungsgeber Klarheit schaffen.“

Dr. Fischbach weiter: „Warum nur zwei enge Kontaktpersonen geimpft werden dürfen, auch wenn es mehr als zwei sind, muss Ihnen der Verordnungsgeber erklären.“

Sevgi Aktürk: „Wir werden quasi dafür bestraft, dass wir unsere Kinder zuhause versorgen.“

Allein gelassen mit der neuen Regelung fühlen sich viele Familien, die täglich für ihre schwerstbehinderten und / oder kranken Kinder da sind. Sie alle haben Angst, dass ihre ohnehin schon kranken / behinderten Kinder auch noch an Corona erkrankten könnten, sollte für sie und das Pflegepersonal keine Impfung ermöglicht werden.

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Mutter Sevgi, Yusuf, Umut und ihre große Schwester Anise (14, Foto von links)

So auch Sevgi Aktürk aus Hohenhameln, Mutter von zwei schwerstbehinderten Jungen. Yusuf (13) und Umut (6) haben beide Pflegestufe 5, sind geistig und körperlich behindert, Autisten und leiden unter tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, Epilepsie und weiteren Problematiken. Sevgi, die selbst systemrelevant als pädagogische Fachkraft in einer Schule arbeitet, hat Angst davor, dass sich ihre beiden Jungen mit Corona anstecken könnten.

Warum nur zwei Personen aus ihrem täglichen Umgang geimpft werden dürfen, ist für sie nicht nachvollziehbar: „Wir sind eine fünfköpfige Familie. Selbst wenn also mein Mann und ich gegen Corona geimpft würden, was ist dann mit den Pflegekräften, die täglich bei uns ein- und ausgehen? Schon jetzt habe ich Probleme mit dem Kindergarten, weil ich nicht zusichern kann, dass eine Woche lang dieselbe Pflegeperson für ein Kind zuständig ist. Das verlangt dieser aber – eben wegen der Gefahr einer Ansteckung durch Corona. Wären alle unsere Pflegekräfte geimpft, gäbe es dieses Problem gar nicht.“

Sevgi Aktürk findet: „In Institutionen und Einrichtungen wird das Pflegepersonal höchstpriorisiert geimpft. Nur weil wir zuhause sind, haben wir nicht die gleichen Rechte. Man wird also quasi noch dafür bestraft, dass man seine Kinder nicht in ein Heim gegeben hat, sondern sie zuhause versorgt.“

Bundesverband Kinderhospiz: „Politik hat Belange von lebensverkürzend erkrankten Kindern und deren Familien oft nicht im Schirm.“
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Daniel de Vasconcelos

Auch der Bundesverband Kinderhospiz e.V. (BVKH) weist auf die vulnerable Gruppe von lebensverkürzend erkrankten Kindern hin, die bei der aktuellen Impf-Politik nicht mit höchster Priorität berücksichtigt werden, sondern nur nachrangig (Krebs- und Nierenerkrankte sind in Stufe 3). Daniel de Vasconcelos, Geschäftsführer BVKH: „Die aktuelle Impf-Thematik ( = lebensverkürzend erkrankte Kinder sind nicht in der höchsten Prio-Stufe) ist ein Beispiel für das Grundproblem: Oft hat die Politik die Belange von lebensverkürzend erkrankten Kindern und deren Familien nicht ausreichend auf dem Schirm, sie finden keine angemessene Berücksichtigung.“