Inklusion ist für alle ein Vorteil

Arbeitskreis: Aus der Stille in den Klang – eine Chance für Musikschulen

Seit 2021 gibt es „Aus der Stille in den Klang“, das Pilotprojekt von Aktion Kindertraum. Seit 2023 wird dieser spezielle Musikunterricht für hörgeschädigte Kinder von einem Arbeitskreis begleitet. Sein Ziel: Den erfolgreichen Unterrichtsansatz der musikalischen Projektleiterin Elena Kondraschowa in ein pädagogisches Konzept zu fassen und zu verbreiten. Denn Aktion Kindertraum möchte viele Musiklehrer und -pädagoginnen, Musikschulen und therapeutische Einrichtungen dafür gewinnen, die Kondraschowa-Methode anzuwenden, damit möglichst viele hörgeschädigte Kinder auch außerhalb Hannovers die Chance bekommen, klangvoller zu hören.

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Im Arbeitskreis wird darüber beraten, welche Instrumente sich für die Kondraschowa-Methode eignen

„Neben dem pädagogischen Konzept hat der Arbeitskreis einen Workshop entwickelt, um Interessierte zu schulen“, schildert Helga Berndmeyer die Haupttätigkeiten. „Uns war es wichtig, möglichst viele Kompetenzen zu bündeln, deshalb haben wir für den Kreis bewusst Teilnehmende aus unterschiedlichen Fachrichtungen angesprochen: Musiktherapie, Musikschulen oder Sonderpädagogik“, so die Koordinatorin des Projektes bei Aktion Kindertraum weiter. Im vergangenen Jahr wurden bereits zwei Workshops durchgeführt und die Schulung weiter optimiert: Neben einer anschaulichen theoretischen Einführung ist jetzt auch eine Hospitation im Unterricht von Elena Kondraschowa ein fester Bestandteil der Fortbildung.

Musik und Inklusion

Am Arbeitskreis beteiligt ist u.a. Christiane Rosenberger, die Inklusionsbeauftragte der Kreismusikschule (KMS) Peine. Aus eigener Erfahrung weiß die studierte Harfenistin und Musiklehrerin, dass das Zusammenspiel von Musik und Inklusion zwar schon seit vierzig Jahren in Fachkreisen thematisiert wird, dass die praktische Umsetzung aber in sehr vielen Schulen und Musikschulen auch heute noch am Anfang steht. „Das Thema war zwar in aller Munde, aber es war für den praktischen Musikunterricht für die meisten noch nicht richtig greifbar“, so ihre Wahrnehmung. „Es gab keine Nachfrage seitens der Eltern und die Musikschulen sind kaum mit eigenen Angeboten vorgeprescht.“

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Christiane Rosenberger – Foto: © Ulf Jasmer

Erst im Oktober 2021 haben sich die Einrichtungen auf der Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) selbst verpflichtet, sich dem Thema intensiv zu widmen und Inklusionsbeauftragte an jeder Schule zu benennen: So auch in Peine die Beauftragung von Christiane Rosenberger. Doch wie viele Stunden die einzelnen Inklusionsbeauftragten zur Verfügung hätten, variiere von Schule zu Schule: „Das reicht von einer eigens eingerichteten Stelle bis hin zum Nullstunden-Kontingent“, so Rosenberger. Trotzdem sei zu beobachten, dass sich seitdem der inklusive Unterricht an den Schulen systematisiere.

Wie umfangreich die Aufgaben der Beauftragten und der einzelnen Musikschulen sind, zeigt ein Ausschnitt aus der sogenannten Kasseler Erklärung des VdM von 2021:
„Die inklusive Schulentwicklung bezieht sich auf die Haltung aller Mitarbeitenden, auf die Strukturen des Systems Musikschule und auf die Unterrichtspraxis. Die Strukturen der Schule ermöglichen und fördern das für die inklusive Schulentwicklung nötige persönliche Engagement aller Mitarbeitenden.“

Damit alle mitmachen können

Reichlich zu tun also für eine Inklusionsbeauftragte. Innere oder strukturelle Barrieren sieht Rosenberger schon durch die Ausbildung an den Musikhochschulen errichtet: Auf der einen Seite würden Solisten und Orchestermusiker ausgebildet – hier stehe Virtuosität im Vordergrund. Auf der anderen Seite würden Musikpädagoginnen und -didaktiker ausgebildet mit dem Fokus auf die Vermittlung. „Diese Zweigleisigkeit erzeugt im Alltag einer Musikschule, an der immer auch beide Gruppen unterrichten, unterschiedliche Befindlichkeiten, Dünkel oder gar Eifersüchteleien.“

Für Rosenberger ist eine andere zentrale Aussage des VdM daher entscheidend: „Musikschulen tragen Verantwortung dafür, dass viele mitmachen wollen und alle, die wollen, mitmachen können“, heißt es in der VdM-Erklärung. An der KMS in Peine legt die Schulleitung Wert darauf, dass sich die Mitglieder des Kollegiums entsprechend fortbilden, um mehr Verständnis für Schülerinnen und Schüler zu bekommen, die besonderen Förder- oder Unterstützungsbedarf haben. „Auch erfahrene Musikpädagogen sind sich unsicher, wenn ihre Schülerinnen und Schüler ganz andere Anforderungen an die Vermittlung stellen oder ganz anders reagieren, als sie es sonst aus dem Unterricht kennen“, hat die Inklusionsbeauftragte beobachtet.

BLIMBAM

Weil sie das Thema persönlich schon lange bewegt, hat Christiane Rosenberger bereits vor einiger Zeit „BLIMBAM – den Berufsbegleitenden Lehrgang Instrumentalspiel mit Behinderten an Musikschulen“ absolviert. Dieser Kurs mit der lautmalerischen Abkürzung gehört zu den wichtigsten beruflichen Weiterbildungen des VdM. „Es wäre wünschenswert, wenn diese umfassende und zertifizierten Inhalte stets von mehreren Mitgliedern eines Kollegiums erlernt und angewendet würden.“

Rosenberger bringt ihre Erfahrungen gerne auch in den Arbeitskreis bei Aktion Kindertraum ein: „Aus der Stille in den Klang bietet Musikschulen und uns Lehrkräften die Möglichkeit, ein bereits erprobtes und erfolgreiches Format zu übernehmen. Aktion Kindertraum leistet dabei sogar noch organisatorische Unterstützung und Elena Kondraschowa steht für methodische und fachliche Fragen zur Verfügung“, ist die Musikpädagogin begeistert.

„Ich kann einen Beitrag leisten“

Warum sie Vorteile auch für Kolleginnen und Kollegen sieht, schildert die Inklusionsbeauftragte anhand eigener Unterrichtserfahrungen: „Ich nutze die Methode von Elena Kondraschowa inzwischen auch in meinen üblichen Stunden. Kondraschowas Ansatz mit den Kindern auf die Suche nach ihrem persönlichen Lieblingston zu gehen, sie diesen Ton über die Stimmbänder fühlen zu lassen und so Hören und Schwingungen zu kombinieren, hat für alle große Vorteile“, so Rosenberger.

Aus der Stille in den Klang, dieser Musikunterricht, der eigentlich für hörgeschädigte Kinder entwickelt wurde, entspricht damit auch ihrem Grundverständnis von Inklusion: „So können wir damit allen, die zu uns kommen, den Zugang und die Begeisterung für Musik vermitteln. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob jemand begabt oder unbegabt ist. Und ich habe das Glück, dazu einen Beitrag leisten zu können“, freut sich Christiane Rosenberger.

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Austausch im Arbeitskreis über geeignete Instrumente für hörgeschädigte Kinder

Arbeitskreis fasst Erfahrungen zusammen

Der Arbeitskreis zu „Aus der Stille in den Klang“ fasst die positiven Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zusammen, konkretisiert daraus eine methodisches Konzept, bietet Workshops zur Vermittlung der Kondraschowa-Methode und knüpft Kontakte zu potenziellen Zielgruppen. Anfänglich haben sich bis zu zehn Teilnehmende vierzehntägig getroffen. Die inhaltliche Bandbreite war dadurch sehr groß. Nachdem die Unterlagen und das Schulungskonzept erstellt sind, wurden die Arbeitstreffen und die Zahl der Beteiligten zurückgefahren. Nach wie vor sind Interessierte herzlich willkommen. Ansprechpartnerin und Projektkoordinatorin bei Aktion Kindertraum ist:

Helga Berndmeyer
Projektkoordination „Aus der Stille in den Klang“
+49 511 47394396 – h.berndmeyer@aktion-kindertraum.de

Die Kreismusikschule (KMS) Peine mit rund 80 Musiklehrerinnen und -pädagogen bietet Unterricht und Ausbildung für eine sehr große Auswahl an Instrumenten ebenso wie Gesang. Genutzt wird dieses Angebot aktuell von etwa 3660 Schülerinnen und Schülern. In den „Musikgarten“ für Babys werden an der KMS bereits die Jüngsten im Alter von sechs Monaten aufgenommen. Einige der ältesten Teilnehmenden sind über 80 Jahre. Manche Ausbildungsbiographien verlaufen schulbegleitend und können sogar in einem Musikstudium münden. Durchschnittlich bleiben die Schülerinnen und Schüler an der KMS fünf bis acht Jahre.

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Robert Exner

„Wer will, findet Wege“, lautet mein Motto. Daher schätze ich so sehr die unkomplizierte, konstruktive Arbeitsweise von Ute und ihrem Team und begleite die Öffentlichkeitsarbeit von Aktion Kindertraum seit mehr als zwanzig Jahren. Genauso lange gibt es mein Büro fundwort für Text, PR- und Fundraising. Neben sozialen Themen liegen mir Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation am Herzen.

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